Droste 225
KulturGUT gratuliert Annette von Droste-Hülshoff
Mit dem Projekt „Droste 225“ möchten wir an die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff erinnern, die am 10. Januar 1797 auf Burg Hülshoff, Havixbeck, geboren wurde.
Das Digitalisat ihres handschriftlichen Manuskriptblattes, gedruckt auf einem Banner ist vom Mitte Mai bis September an der Klinkerfassade des Wohnhauses Hauptstraße 50 in Havixbeck zu sehen.
Das dargestellte Manuskript (Digitalisat) trägt hier noch drei verschiedene Überschriften:
Im Moor, Das Kind und schließlich Der Knabe im Moor.
In seiner Endfassung bleibt das Gedicht überschrieben mit „Der Knabe im Moor“. Die Wahl dieser finalen Überschrift macht deutlich, dass für die Poetin der Mensch in seiner Umgebung im Zentrum der Betrachtung steht, und nicht allein der Mensch oder der Schauplatz.
Das Gedicht „Der Knabe im Moor“ ist zuerst im Morgenblatt für gebildete Leser Nr. 40, Stuttgart/Tübingen, 16. Februar 1842, erschienen. Danach wurde es 1844 in der Sammlung Gedichte von Annette von Droste-Hülshoff im Abschnitt Heidebilder als letztes Stück gedruckt.
Wenn „Der Knabe im Moor“ also nicht unter den Balladen des Bandes eingeordnet ist, so kann dies als weiterer Hinweis auf den thematischen Schwerpunkt des Gedichts, nämlich die Wechselwirkung von Mensch und Natur gewertet werden.
Der Knabe im Moor
O schaurig ist’s über’s Moor zu gehen,
Wenn es wimmelt vom Haiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt als ob man es jage;
Hohl über der Fläche sauset der Wind
Was raschelt drüben am Haage?
Das ist der gespenstige Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere,
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor‚
Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran, nur immer im Lauf,
Voran als woll‘ es ihn holen;
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodey;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margreth:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh,
Wär‘ nicht Schutzengel in seiner Näh‘,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwehle.
Da mählig gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimathlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief athmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war’s fürchterlich,
O schaurig wars in der Haide!
Erklärungen
häkelt hier: sich emporwinden Röhricht Pflanzengruppe im Flachwasser- und Uferrandbereich von Gewässern Haage Hecke, Gebüschgruppe Gräberknecht hier: Geist eines Torfstechers verzecht ausgeben, ohne etwas zurück zu behalten Spinnlenor Im Volksglauben eine Wollspinnerin, die einst wegen eines Verbrechens bestraft und aus Dorf- und jeglicher Gemeinschaft ausgestoßen wurde. Haspel Spule zum Aufwickeln von Fäden beim Spinnen Geröhre Schilfdickicht verdammte Margreth Gespenst einer Spinnerin, die im Volksglauben von einer Hexe wegen ihres Fehlverhaltens auf ewig zum Spinnen in der Heide verurteilt worden war. Moorgeschwele hier: Nebeldünste des Moors. mählig nach und nach
Quelle: https://www.droste-portal.lwl.org/de/
Digitalisat: Das Digitalisat wurde freundlicheweise vom Westfälischen Literaturarchiv im LWL-Archivamt für
Westfalen, Münster ( Dep.),Meersburger Nachlass, Best. 1064/MA I 100 S.1. zur Verfügung gestellt.
In Zusammenarbeit mit:





Die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung ist Trägerin von Burg Hülshoff, Haus Rüschhaus und dem Center for Literature. Die Stiftung wird gefördert durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
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